Deutsch issues

(Aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 15.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom letzten Freitag)

Wir müssen den eigentlichen Grund, den Sinn unseres Lebens finden. Was ist der Faktor, der unser Leben legitimiert? Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht? Gebt mir ein paar Ideen. Was bezeichnen Menschen üblicherweise als Sinn, als Grund ihres Lebens?

Antwort: Familie, Kinder.

Ramvijay: Param-Dharma, die höchste spirituelle Pflicht.

Swami Tirtha: Manchmal leben Menschen für ihre Ambitionen, für ihre Ziele. „Ich habe ein Ziel, deshalb lebe ich. Ich habe eine Arbeit, ich lebe für meine Arbeit.“ Aber wenn die Arbeit erledigt ist, sterben sie praktisch oder halb. Wenn wir also nur ein begrenzte Vortsellung für den Sinn unseres Lebens haben, reicht das nicht aus. Manchmal denkt jemand vielleicht: „Ich bin sehr gut in Debatten – das ist der Sinn meines Lebens. Das macht mich so stark. Ich kenne die Wahrheit.“ Manchmal ist es die Inspiration: „Ah, ich liebe diese Person! Sie oder er ist der Sinn meines Lebens.“ Aber was passiert, wenn diese Person aus deinem Leben verschwindet? Was passiert, wenn sie jemand anderen liebt, nicht euch? Dann ist euer Leben verloren, der Sinn eures Lebens. Die Intelligenteren sagen: „Ich lebe für Inspiration.“ Lange Zeit habe ich das nicht verstanden. Aber dann, ganz langsam, habe ich es verstanden: Inspiration, die Quelle der Inspiration – das ist etwas sehr Mächtiges. Wenn ihr noch kultivierter seid, werdet ihr sagen: „Mein Lebenssinn ist nicht die Liebe zu einem Menschen. Mein Sinn ist es, Liebe zu schätzen. Ich lebe für die Liebe.“

Aber versteht ihr die Bedeutung dieser Frage? Was erfüllt unser Leben? Deshalb wollen wir uns immer beweisen: „Ich habe dies erreicht, ich habe das.“ So oft veräußerlichen wir den Sinn unseres Lebens. Doch das ist ein sehr schwaches, begrenztes, sehr materielles Konzept. Wenn ihr den Sinn eures Lebens an etwas Begrenztes knüpfst, wird euer Leben begrenzt sein. Entferne das Objekt, und auch euer Leben verschwindet. Denn ihr wart an diesem Objekt gebunden.

Deshalb müssen wir suchen. Nach der Quelle suchen – woher wir kommen. Denn wenn wir aus dem Nichts kommen, kehren wir ins Nichts zurück. Dann wird praktisch nichts unsere Existenz einen Sinn geben. Ich weiß nicht, ob das für euch befriedigend ist, für mich ist es nicht wirklich befriedigend. Deshalb können wir sagen: Wenn ihr die Existenz Gottes leugnet, leugnet ihr damit auch eure eigene Existenz.

Die letztendliche Tatsache, die unser Leben legitimiert, ist die Existenz selbst. Versucht bitte, den Unterschied zwischen Leben und Existenz zu erkennen. Leben ist eine Manifestation, und Existenz ist ein Prinzip. Wenn ihr also einen höheren und gereinigten Bewusstseinszustand erreicht, müsst ihr euch nicht beweisen, ihr müsst keine externe Legitimation für euer Leben finden. Denn letztlich ist der göttliche Ursprung die legitimierende Kraft unseres Lebens, unserer Existenz. Unser Körper trägt den Stempel der Vergänglichkeit, des Todes. Doch unsere Seele trägt den Stempel des ewigen Lebens, der ewigen Verbundenheit.

Nach einiger Zeit braucht man sich also nicht mehr zu beweisen. Ich denke, all die verschiedenen Kämpfe, Konflikte und dergleichen – diese Art von egoistischen Interessen – entstehen im Grunde aus dem Mangel an endgültiger Identifikation. Man fühlt sich nicht legitim und will sich deshalb beweisen. Doch was sehen wir am Beispiel unserer Heiligen? Wenn der Haupt-Pujari, eine sehr angesehene Position, Madhavendra Puri trifft, einen mittellosen Bettler auf der Straße, ist er sofort bereit, seine Dandavats anzubieten.

Es gibt eine Geschichte aus Ungarn, in unserer Zeit. Am Morgen hatten einige Anhänger eine kleine Auseinandersetzung. Und was passierte dann am Nachmittag? Sie hatten einen Wettkampf. Zweifellos war der Kampf eine Art materieller Auseinandersetzung. Aber was war der Wettkampf? Einer ging auf den anderen zu und sagte: „Prabhuji, bitte entschuldige. Ich habe mich geirrt.“ Da sagte der andere: „Nein, nein, nein. Bitte entschuldige, ich war sehr hart.“ Und sie begannen einen Wettstreit im Darbringen von Dandavats – wer dem anderen einen vollständigeren Dandavat darbietet. Seht ihr, das ist der einzige Wettstreit, den ihr mit euren Brüdern und Schwestern austragen könnt – wer dem anderen einen vollständigeren Dandavat darbietet.

Was legitimiert letztendlich unser Leben, was gibt unserem Leben Sinn? Auf die Frage „Warum leben wir?“ lautet die Antwort: aufgrund der ewigen Quelle. Auf die Frage „Wozu leben wir?“ lautet die Antwort: um Vollkommenheit zu erreichen. Und auf die dritte Frage „Wie lebt man richtig?“ lautet die Antwort: Lebe als Anhänger – diene deinem eigenen spirituellen Nutzen, sei anderen nützlich und lebe zur Ehre Gottes.

Aber nun kommt eine andere Frage – entschuldigt mich, dass ich eure Zeit und Aufmerksamkeit so lange in Anspruch genommen habe …„Was wird meinem Leben Rechtmäßigkeit verleihen?“ Ich bin ein Bettler. Na gut, manchmal bekomme ich auch süßen Reis, aber ich bin ein Bettler. Und ich habe meinen Meister in seiner physischen Gestalt verloren, daher ist der Sinn meines Lebens verloren. Aber ich fühle mich gesegnet, dass Krishna einige Retter gesendet hat. Und wenn ihr mir die Möglichkeit gebt, euch zu dienen, dann spüre ich, dass dieses Leben, diese Existenz einen Sinn hat.

Manchmal erleben wir Niederlagen. Man kann eine Schlacht verlieren, aber man sollte nicht den Krieg verlieren. Ich hoffe, dass dies meinem Leben keinen äußeren Sinn gibt. Aber bitte findet auch ihr für euch selbst diese Quelle, die euer Leben Sinn verleiht. Halten euch an eure Prinzipien, an eure Ideale. Dann kann euch nichts frustrieren, nichts kann euch schaden.

Ramvijay: Gurudev, was Sie sagen, ist wie ein Fenster zu einer anderen Welt …



Apr

11

(Aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 15.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom letzten Freitag)

Die Liebe zu Gott ist für uns nichts Neues. Sie ist eine ursprüngliche, urtümliche, uralte und ewige Botschaft. Sie ist der Grund und Sinn unseres Lebens und begründet unsere Existenz. Diese göttliche Verbindung ist der ultimative Grund, das absolute der spirituellen Wahrheiten. Deshalb müssen wir nichts Neues lernen, sondern nur dieses ursprüngliche Wissen, diese ursprüngliche Wahrheit, die bereits da ist, wiederbeleben.
Gut, aber wie geht das? Erst kürzlich sprach ich mit einer jungen Dame. Und sie sagte: „Oh, ich höre mir gerne die Vorträge dieses und jenes Swami an – es ist so schön, er vermittelt so eine gute Botschaft. Er ist ein berühmter, anerkannter Meister und Lehrer. Und er lehrt: „Alle Wahrheiten sind in deinem Herzen, du brauchst keinen Lehrer.“ Das ist die Lehre dieses Lehrers – dass es keinen Lehrer braucht. Und auch keine Lehre. Ich höre seinen Vorlesungen gerne zu. Moment mal! Was soll das? Bist du ein vernünftiger Mensch? „Ich bin ein Lehrer, der dir sagt, dass du keinen Lehrer brauchst.“ Was soll das? Menschen sind so komisch. Er verhält sich wie ein Lehrer, um den Leuten beizubringen, dass sie keinen Lehrer brauchen. Komm schon, es ist umwerfend!
Aber Spaß beiseite, wir müssen sehr, sehr dankbar sein, wenn wir eine gute Botschaft aus einer guten Quelle hören können. Dann haben wir bereits zwei Drittel dieser heiligen Dreifaltigkeit – eine gute Botschaft aus einer guten Quelle. Und was ist das dritte Drittel? Ja, ein guter Zuhörer, ein guter Boden – das müsst ihr werden. Wenn diese heilige Dreifaltigkeit also vorhanden ist, bietet ihr eine sehr tiefe Grundlage für realistisches spirituelles Wachstum.
Der Priester im Tempel, der Hauptpujari, bot dem Bettler sofort Dandavats an. Ein Hauptpujari zu sein, ist ein sehr prestigeträchtiger und sehr intimer Dienst. Manchmal ist es schwierig für Menschen, das Mysterium dieser persönlichen Art der Verehrung, wie z. B. das Verehren von Murti. Aber ich denke, für euch, da ihr aus einem orthodoxen Umfeld kommt, ist es einfacher, weil die Ikonen dort sehr verehrt und respektiert werden und ihr eine lebendige Kraft, eine lebendige Verbindung aufbauen könnt. Ich habe auch gehört, dass in einigen katholischen Kreisen die Mutter Maria verehrt wird und eine reisende Gottheit der Mutter Maria existiert. Eine Familie kann sich einen Monat lang um die Gottheit kümmern, dann kommt die Mutter Maria zur nächsten Familie. Die Kinder, die die Mutter Maria am stärksten umarmen, können sie einen Monat lang mitnehmen.

Warum erwähne ich das? Weil man ohne Praxis nicht wissen kann, was es bedeutet ein Murti zu verehren. Theoretisch könnten wir ein gewisses Verständnis haben und einige Worte dazu finden. Aber sobald ihr es versucht, werdet ihr sehen, wie es funktioniert. Dann stellt sich sofort diese dienende Stimmung und diese Aufmerksamkeit ein.
„Der Priester erwies Madhavendra Puri seine Ehrerbietungen und kehrte zum Tempel zurück. Dann aß Madhavendra Puri in Ekstase den süßen Reis, den Krishna ihm angeboten hatte. Danach wusch Madhavendra Puri den Topf und zerbrach ihn in Stücke. Er band alle Stücke in sein Tuch und bewahrte sie sorgfältig auf. Jeden Tag aß Madhavendra Puri ein Stück aus diesem Tontopf und wurde danach sofort von Ekstase überwältigt. Das sind wunderbare Geschichten
.“ [1]

Wir werden hier für heute aufhören; wir haben einen weiteren schönen Teil dieser Geschichte gelesen. Normalerweise werden wir erzogen und gelehrt, dass Menschen dem Göttlichen dienen sollen – der Mensch soll Gott dienen. Aber hier ist ein weiteres Beispiel, wo Gott seinen geliebten Dienern dient. Im Allgemeinen ist spirituelle oder spirituelle religiöse Praxis die Suche nach Gott. Doch hier sehen wir eine spirituelle Praxis – die Suche nach dem Diener. Wer war das – Diogenes, der tagsüber mit einer angezundedet Laterne auf dem Marktplatz gehte und sagte: „Ich suche nach Menschen.“ Manchmal suchen wir also, manchmal sucht der Höhere. Es ist so schön, dass die Menschen nach Gott, dem Höchsten, suchen. Aber ist es nicht noch viel schöner, aufregender und unglaublicher, dass der Höchste nach seinen Dienern sucht? Ich denke, wenn an der Stelle von Gott sein würdet, würdet ihr auch nach einem Diener wie Madhavendra Puri suchen.
Habt ihr so eine Suche in eurem Leben? Vor einigen Jahren schrieb mir Yashoda einen Brief. Das war sehr interessant, weil er eine poetische und romantische Erklärung dieser Suche war. Erinnern Sie sich? Wie Krishna Radhika nachläuft, und dann gab es noch ein zweites Kapitel dieser Geschichte – wie Radhika Krishna sucht. Anhand einiger Saris und Chaddars, die hier und da fallen, und ein paar Schritten erinnern sie sich aneinander und wissen, dass dies die richtige Richtung ist. Wir sollten auch die Zeichen dafür finden, dass dies die richtige Richtung ist.

(Fortsetzung folgt)

1. Chaitanya Charitamrita, Madhya 4.138-140



(Aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 15.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom vorherigen Freitag)

„Nachdem der Priester seine täglichen Pflichten erledigt hatte, ging er zur Ruhe. In einem Traum sah er die Gottheit Gopinatha, die zu ihm kam und wie folgt sprach: „Oh Priester, bitte steh auf und öffne die Tempeltür. Ich habe einen Topf mit süßem Reis für den Sannyasi Madhavendra Puri aufbewahrt. Dieser Topf mit süßem Reis steht direkt hinter meinem Vorhang. Du hast ihn wegen meiner Tricks nicht gesehen.“ Als der Priester aus dem Traum erwachte, stand er sofort auf und hielt es für ratsam, ein Bad zu nehmen, bevor er das Zimmer der Gottheit betrat. Dann öffnete er die Tempeltür. Gemäß den Anweisungen der Gottheit fand der Priester den Topf mit süßem Reis hinter dem Stoffvorhang. Er holte den Topf heraus und wischte den Platz auf, an dem er aufbewahrt worden war. Dann verließ er den Tempel. Er schloss die Tempeltür und ging mit dem Topf  ins Dorf. Er suchte an jedem Stand nach Madhavendra Puri. Mit dem Topf in der Hand rief der Priester: „Würde der, dessen Name Madhavendra Puri ist, bitte kommen und diesen Topf nehmen! Gopinatha hat diesen Topf mit süßem Reis für dich gestohlen!“ Der Priester fuhr fort: „Würde der Sannyasi, dessen Name Madhavendra Puri ist, bitte kommen und diesen Topf mit süßem Reis nehmen und das Prasadam mit großer Freude genießen! Du bist der glücklichste Mensch in diesen drei Welten!“[1]
Diese Verse erklären den Unterschied zwischen der absoluten und der relativen Wahrheit. Hier zeigt sich Gopinath deutlich als Dieb – er stiehlt einen Teil des süßen Reises. Und dies wurde nicht geheim gehalten, sondern kühn verkündet: „Gott ist ein Dieb.“ Denn wenn Er stiehlt, bereitet das allen viel Freude. Im materiellen Bereich ist Diebstahl eine kriminelle Handlung, doch im spirituellen Bereich sind alle dadurch glücklich.

Was also tun? Wir sind Anhänger Krishnas, also lasst uns seinem Beispiel folgen – den süßen Reis stehlen? Nun, vor zwei Tagen gab es süßen Reis. Er war so lecker, dass ich unbedingt noch eine Schüssel stehlen wollte. Aber glücklicherweise hielten mich die bhaktas von dieser kriminellen Aktivität auf, weil sie mir selber noch etwas brachten.

Dennoch kann man manche Dinge stehlen. Zum Beispiel kann man seine Aufmerksamkeit von Illusionen ablenken. Oder man kann das Herz eines anderen Menschen stehlen. Das können wir tun. Aber nicht für uns selbst, sondern nur als ein von Herzen kommendes Opfer. Und das ist Predigen. Man lenkt die Aufmerksamkeit anderer auf das göttliche Ziel. Ich denke, das ist eine sehr erhabene Kampagne.

Der Priester hatte diese Vision in der Nacht. Dann befolgte er die Anweisung, nahm den süßen Reis und rannte zum Marktplatz, um Madhavandra Puri zu suchen.
 „Als Madhavendra Puri diese Einladung hörte, trat er heraus und gab sich zu erkennen. Der Priester brachte ihm den Topf mit süßem Reis und verbeugte sich vor ihm. Als ihm die Geschichte mit dem Topf mit süßem Reis ausführlich erzählt wurde, versank Shri Madhavendra Puri sofort in ekstatischer Liebe zu Krishna. Als er die ekstatischen Liebessymptome sah, die sich in Madhavendra Puri zeigten, war der Priester von Staunen erfüllt. Er verstand, warum Krishna ihm so dankbar war, und er erkannte, dass Krishnas Handeln angemessen war.“[2]
Kommt ihr auch manchmal zu diesem Schluss? „Er hatte wieder einmal Recht.“ Denn es heißt: „Ein Anhänger kann Gott Krishna vollständig kontrollieren. Es ist unmöglich, Krishna zu besiegen, aber durch hingebungsvollen Dienst kann ein Anhänger ihn kontrollieren.“ In der Brahma Samhita heißt es: vedeshu durlabham adurlabham atma-bhaktau[3] – „Durch die Veden ist es unmöglich, zu Ihm zu gelangen, aber durch atma-bhaktau, durch Hingabe des Herzens und Hingabe der Seele, ist es sehr leicht Ihn zu verstehen. Man kann Krishna nicht allein durch das Lesen der vedischen Literatur verstehen. Wer ihn nicht liebt, kann ihn nicht verstehen. Deshalb muss man über das Studium der vedischen Schriften hinaus, den Höchsten verehren. Diese beiden Prozesse unterstützen sich gegenseitig. Die Liebe zu Gott schlummert in jedem Herzen. Und wenn wir einfach den Regeln des hingebungsvollen Dienstes folgen, erwacht diese schlummernde Liebe.

(Fortsetzung folgt)

1 Chaitanya Charitamrita, Madhya 4.126–4.134
2 Chaitanya Charitamrita, Madhya 4.135–4.137

3 Brahma Samhitā 5.33

 



(Aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 15.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom vorherigen Freitag)

„Madhavendra Puri vermied das Betteln. Er war völlig ungebunden und gleichgültig gegenüber materiellen Dingen. Wenn ihm jemand, ohne dass er gebettelt hatte, etwas zu essen anbot, aß er; andernfalls fastete er. Ein Paramahamsa wie Madhavendra Puri ist stets zufrieden im liebevollen Dienst des Herrn. Materieller Hunger und Durst können seine Aktivitäten nicht behindern. Als er ein wenig süßen Reis probieren wollte, welcher  dem  Murti angeboten wurde, betrachtete er es als Vergehen, das zu essen, was der Gottheit angeboten wurde. Madhavendra Puri verließ den Tempel und setzte sich auf den leeren Dorfmarkt. Dort sitzend begann er zu chanten. In der Zwischenzeit legte der Tempelpriester die Gottheit zur Ruhe.“[1]
In den Erläuterungen lesen wir: „Es wird üblicherweise empfohlen, Speisen, die wir den Gottheiten anbieten möchten, abzudecken, während sie zu den Murtis getragen werden, damit sie von anderen nicht gesehen werden. Wer die hohen Prinzipien des Dienstes nicht kennt, könnte diese Speise begehren, und das ist ein Vergehen. Deshalb ist es gut, sie abzudecken, aber wenn sie vor den Murtis  platziert oder ihnen dargeboten wird, sollte sie unbedeckt sein. Madhavendra Puri hatte gesehen, wie diese Speise unbedeckt der Gottheit dargeboten wurde, und wollte sie auch für sein eigenes Murti zubereiten. Doch er war so streng, dass er dies als Vergehen betrachtete. Deshalb verließ er den Tempel wortlos. Er galt als Paramahamsa. Und ein Paramahamsa ist jemand, der die sechs materiellen Eigenschaften überwunden hat. Diese sind Kama (Vergnügen), Krodha (Wut), Lobha (Gier), Illusion, Wahnsinn und Neid sowie die Instinkte des Essens und Trinkens. Wer diese Feinde überwunden hat, gilt als Paramahamsas.“
Man könnte sagen, es sei selbstverständlich, dass die Opferregeln befolgt und die Speisen abgedeckt werden sollten. Und wir begehren das Essen nicht, bevor es angeboten wird – das ist selbstverständlich. Es gab einmal eine Geschichte. Ich habe sie schon oft erzählt, aber sie beschreibt unsere Natur. Ein Neuankömmling in einem Tempel sah viele verschiedene Speisen, hübsch auf einem großen Teller angerichtet, und fragte: „Für wen ist dieser große Teller?“ Die Bhaktis antworteten: „Nein, nein, das ist nicht für dich, das ist für das Murti.“ Dann fragte unser Freund: „Wann werde ich ein Murti?“ Das ist die menschliche Natur, so sind wir. Es gibt einen schönen Teller für jemanden: „Wow! So möchte ich auch sein.“ Ich finde, das ist so aufrichtig, so einfach.
Wer diese Triebe – Kama, Krodha usw. – kontrollieren kann, ist ein Paramahamsa. Also, Vorsicht, wenn ihr auf Titeljagd seid, seid vorsichtig. Bevor ihr euch als Paramahamsa bezeichnet, müsst ihr diese Feinde erst besiegen. Es ist wenig gewandt, sich vorzustellen, zum Beispiel auf diese Art und Weise: „Ich bin Lakshmi Devi.“ Wie kann man sagen: „Ich bin die Glücksgöttin in ihrer vollen Pracht“? Deshalb sagen wir: „Ich bin Lakshmi Devi Dasi. Ich bin die Dienerin von Lakshmi Devi“ – das ist einfacher, sicherer, wahrer. Oder wenn ihr sagt: „Ich bin Krishna Prabhu. Ich bin Lord Krishna.“ Wer wird das akzeptieren? Besser wäre es zu sagen: „Ich bin Krishna Das. Ich bin ein Diener von Lord Krishna.“
Gurudev war in dieser Hinsicht sehr sensibel. Wenn jemand zu ihm sagte: „Seit ich ein Bhakta geworden bin …“, duldete er das nicht: „Du denkst, du bist ein Bhakta?!“ Er tadelte uns sehr. Und das sind nicht nur Worte. Das ist eine Einstellung. Deshalb sage ich, dass er eine sehr gute Schule vertrat. Er bot seinen Schülern eine sehr gute Ausbildung.
Frage von Krishna Priya: Sie haben vorgelesen, dass Paramahansa diese sechs Feinde kontrolliert. Ich dachte, sie seien in ihm nicht mehr vorhanden.
Swami Tirtha: Gut, ein Hansa kontrolliert, ein Paramahansa weiß nicht, was er kontrollieren soll. Darf ich euch einen seltsamen Beweis dafür geben? Einmal fragte ein Westler einen alten indischen Sadhu: „Was ist Ihre Meinung zur Homosexualität?“ Und der Sadhu sagte: „Was ist das?“ Keine Ahnung! Wenn ihr keine Ahnung habt, was dieser Feind wie Kama, Krodha oder Lobha ist, was gibt es dann zu kontrollieren? Es gibt bestimmte Ebenen bewusster Existenz.

(Fortsetzung folgt)

1 „Chaitanya Charitamrita“, Madhya, 4.123–4.125



(Aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 15.08.2018, Mela Ludasto)

Swami Tirtha: Wenn wir unsere Lesungen aus der “Chaitanya Charitamrita” fortsetzen, müssen wir uns zunächst daran erinnern, was passiert ist, was die Schlussfolgerung der vorherigen Sitzungen war.

Premalata: Dass in unserem Dorf niemand fastet.

Ramvijay: Dass die Annahme von Prasadam eine universelle spirituelle Praxis ist.

Swami Tirtha: Oder wir können auch hinzufügen, dass wir normalerweise unsere früheren Konditionierungen – ob materiell oder spirituell – mit uns herumtragen. Und wir waren uns alle einig, dass Zuneigungslosigkeit und Zufriedenheit zwei Schlüsselfaktoren für Erfolg im Leben sind.

Also organisierte Madhavendra Puri alles rund um die Verehrung und den Dienst Gopals in Vrindavan. Zuerst reiste er nach Bengalen und dann weiter nach Südindien. Auf seiner Reise nach Südindien besuchte Shri Madhavendra Puri Remuna, wo sich Gopinatha befindet. Als er die Schönheit der Gottheit sah, war Madhavendra Puri überwältigt. Im Tempelkorridor, von dem aus die Menschen die Gottheit üblicherweise betrachteten, sang und tanzte Madhavendra Puri. Dann setzte er sich und fragte einen Brahmaṇa, welche Speisen der Gottheit dargeboten wеrden. Aus der hervorragenden Ausstattung schloss Madhavendra Puri, dass nur die besten Speisen angeboten wurden. Madhavendra Puri dachte: „Ich werde den Priester fragen, welche Speisen Gopinatha angeboten werden, damit wir in unserer Küche ähnliche Speisen wie für Shri Gopala anbieten können.“ Als der Brahmaṇa-Priester dazu befragt wurde, erklärte er ausführlich, welche Speisen der Gottheit Gopinatha angeboten wurden. Der Brahmana-Priester sagte: „Am Abend wird der Gottheit süßer Reis in zwölf kleinen Tontöpfen dargeboten. Weil er so gut wie Nektar [Amrita] schmeckt, wird er Amrita-Keli genannt. Dieser süße Reis wird weltweit als Gopinatha-Kshira gefeiert. Nirgendwo sonst auf der Welt wird er dargeboten.“ Während Madhavendra Puri mit dem Brahmana-Priester sprach, wurde der süße Reis der Gottheit als Opfergabe dargebracht. Als Madhavendra Puri dies hörte, dachte er: „Wenn mir unaufgefordert ein wenig süßer Reis gegeben wird, kann ich ihn probieren und eine ähnliche Speise zubereiten, um ihn meinem Herrn Gopala darzubringen.“ Madhavendra Puri schämte sich sehr, als er den süßen Reis probieren wollte, und begann sofort an Gott Vishnu zu denken. Während er so an Gott Vishnu dachte, wurde die Opfergabe abgeschlossen und die Arati-Zeremonie begann. Nachdem das Arati beendet war, erwies Madhavendra Puri der Gottheit seine Ehrerbietung und verließ anschließend den Tempel. Er sagte zu niemandem mehr etwas. [1]

Madhavendra war ein sehr gehorsamer Diener Gopals. Weil er Gopal gefunden hatte, entstand eine Verbindung zwischen ihnen: Er gründete den Gopal-Tempel und begann mit der Verehrung Gopals – er war von Gopal verzaubert. Und so dachte er, wohin er auch ging, an seinen Gopal. „Ja, ja, das ist ein sehr netter Mensch – wir können ihn zu Gopals Dienst einladen. Ja, in den Malaya-Bergen gibt es sehr schönes Sandelholz, das werde ich Gopal bringen. Hier im Tempel von Gopinath in Remuna gibt es sehr guten süßen Reis – ich kann auch für meinen Gopal ähnlichen Reis kochen.“

Alles verband er mit seinem geliebten Gott.
Wir müssen dieses Gefühl, diese Stimmung entwickeln. Im Grunde denken wir: „Oh, das ist ein schönes Auto. Ich wünschte, ich hätte auch ein schönes Auto! Der Nachbar hat so ein großes Haus,  ich wünschte auch, ich hätte ein großes Haus!“ Wir haben diesen Instinkt, er ist da; nur ein wenig Konzentration, ein wenig Feinabstimmung sind nötig.
Aber was geschah hier? Als er dachte: „Ich möchte es auf eine etwas heimliche Weise genießen. Wenn ich es irgendwie erhalte, kann ich es probieren und dann kochen.“ – hielt er es für einen Fehler. Er wollte es genießen, bevor es das Gopal Murti vollständig dargeboten wurde. Die erhabenen Seelen widmen diesen Themen große Aufmerksamkeit. Zum Beispiel der Ghee-Lampe. Früher wurde die Ghee-Lampe üblicherweise verwendet, um die Murtis zu beleuchten. Da es in den Tempeln kein Licht gab, brauchten die Pujaris diese kleine Ghee-Lampe, um die Gottheit zu zeigen. Wenn Menschen kamen, zeigten die Pujaris Ihm: „Hier ist unsere Gottheit. Hier ist sein Gesicht. Hier sind seine Lotosfüße.“ – damit die Menschen sie sehen konnten. Dies ist eine praktische Anwendung der Ghee-Lampe. Doch die größte Bedeutung der Darbringung einer Ghee-Lampe ist, dass sie Krishna angeboten wird. Dieses Licht ist für Ihn, das Feuerelement gehört Ihm. Deshalb werden in manchen Tempeln zwei Lampen dargeboten – eine für Ihn und eine für uns. Das ist sehr schön – eine dient dem Höchsten und eine den Menschen, den Besuchern.

 (Fortsetzung folgt) 

1. Chaitanya Charitamrita, Madhya, 4.112-4.122



(Aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 14.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom letzten Freitag)

Frage: Was bedeutet es, wenn gesagt wird, dass alles, was wir zuvor wahrgenommen oder erreicht haben, eine andere Form und ein anderes Verständnis annehmen wird, wenn wir tatsächlich eine spirituelle Erkenntnis erreicht haben?

Swami Tirtha: Eine wichtige Praxis ist Dankbarkeit. Dankbarkeit ist eine sehr wirksame Methode, um die Neigung zum Klagen zu überwinden. Oft vergessen wir dies, weil wir irgendwie bedingt und trainiert sind uns zu beschweren: „Das ist nicht gut, das fehlt usw.“. Aber wenn wir unsere Gebete mit Dankbarkeit für alles beginnen, was wir in diesem Leben erhalten haben, dann werden sich unsere schlechten Bedigungen langsam, langsam ändern. Ich denke, theoretisch schätzen wir uns alle glücklich, eine Chance auf spirituelle Vollkommenheit zu haben, nicht wahr? Das bedeutet, dass all die Schwierigkeiten und das Leid, das wir in unserem Leben erfahren haben, ein notwendiger Bestandteil unseres Daseins ist. Wenn du eine andere Geburt gehabt hättest und ein sicheres Leben gehabt hättest oder was auch immer, würdest du nicht hier sitzen. Wenn das Ende gut ist, ist alles gut.

Das ist also eine sehr einfache Methode. Wir müssen dankbar sein für alles, was uns gegeben und zur Verfügung gestellt wurde. Denn wenn du an einen barmherzigen Gott glaubst, wird er barmherzig mit dir handeln. Wenn du an einen gerechten Gott glaubst, wird er Gerechtigkeit über dich üben. In den Shastras heißt es: Wenn du Gott leugnest, leugnest du auch deine eigene Existenz. Wenn du seine Existenz akzeptierst, gibt das auch deiner Existenz Sinn. Dankbarkeit. Übt Dankbarkeit aus. Dann werdet ihr, selbst wenn ihr verliert, darin geschult, Dankbarkeit zu üben. Genau wie Madhavendra Puri – selbst als er Nahrung hatte, aß er nicht, weil er durch die vorherige Praxis konditioniert war. Wie wird man eine schlechte Gewohnheit los? Indem man eine gute Praxis einführt. Die Perspektiven sind vielversprechend. Der Weg ist lang, aber die Perspektiven sind vielversprechend. Glaubt mir nicht alles, was ich sage. Der Weg ist gar nicht so lang. Man sagt ja, der Weg von Maya zum Guru sei länger als der vom Guru zu Krishna.

Karunamayi: Ich möchte meine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, dass alles, was in unserem Leben geschieht, sich lohnt. Und das heutige Beispiel: Heute Morgen gab es hier kein Wasser. Die meisten Menschen halten das für ein großes Problem und eine Unannehmlichkeit. Doch wenn es ein Problem gibt, lernen wir, dankbar zu sein für das, was wir haben, und uns nicht über die Situation zu ärgern. Und dankbar zu sein, dass es Anhänger gibt, die bereit sind, zum anderen Bauernhof zu eilen, um das Nötige zu holen und die Dinge in Ordnung zu bringen.

Swami Tirtha: Das betrachten wir als wahre spirituelle Praxis. Man hat ein Problem, dann reagiert man friedlich, und plötzlich erscheint Ishvara und sagt: „Es werde Wasser!“, und das Wasser kommt. Göttliche Erkenntnis!

Karunamayi: Ja, unsere spirituellen Brüder und Schwestern sind die göttlichen Kräfte, die für uns handeln.



(aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 14.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom vorigen Freitag)

 „Schließlich kamen zwei Brahmanen des Ordens der Entsagung aus Bengalen, und Madhavendra Puri, der sie sehr mochte, hielt sie in Vrindavana und bot ihnen alle möglichen Annehmlichkeiten. Diese beiden wurden dann von Madhavendra Puri initiiert, und er betraute sie mit dem täglichen Dienst des Herrn. Dieser Dienst wurde kontinuierlich durchgeführt, und die Anbetung der Gottheit wurde sehr prächtig. Daher war Madhavendra Puri sehr erfreut. Auf diese Weise wurde die Anbetung der Gottheit im Tempel zwei Jahre lang sehr prächtig durchgeführt. Dann hatte Madhavendra Puri eines Tages einen Traum. In seinem Traum sah Madhavendra Puri Gopala, der sagte: „Meine Körpertemperatur ist immer noch nicht gesunken. Bitte bring Sandelholz aus der Provinz Malaya und streiche mit dem Brei über meinen Körper, um mich abzukühlen. „Bring Sandelholz aus Jagannatha Puri. Bitte beeil dich. Da es sonst niemand kann, musst du es tun.“ Nachdem er diesen Traum gehabt hatte, wurde Madhavendra Puri Gosvami durch die Ekstase der Liebe zu Gott sehr froh, und um den Befehl des Herrn auszuführen, machte er sich auf den Weg nach Osten in Richtung Bengalen. Vor seiner Abreise traf Madhavendra Puri alle Vorkehrungen für die regelmäßige Anbetung der Gottheit und beauftragte verschiedene Menschen mit verschiedenen Aufgaben. Dann nahm er die Aufforderung von Gopala an und machte sich auf den Weg nach Bengalen. Als Madhavendra Puri im Haus von Advaita Acharya in Shantipura ankam, war der Acharya sehr erfreut, als er die ekstatische Liebe zu Gott in Madhavendra Puri zeigte. Advaita Acharya bat darum, von Madhavendra Puri eingeweiht zu werden. Nachdem er ihn eingeweiht hatte, machte sich Madhavendra Puri auf den Weg nach Südindien.[1]
Hier seht ihr also ein Geschäftsmodell. Ihr beginnt als mittelloser Bettler; ihr habt einen Traum; dann beginnt ihr, eine große Mission und einen großen Tempel zu gründen, eine große Anbetung; dann habt ihr einen anderen Traum – und wieder seid ihr ein Bettler. Ob wir etwas haben oder nicht, eine Sache sollte ein fester Fokus in unserem Leben sein – der Dienst und die enge Gesellschaft Gottes. Ein großartiger Tempel oder ein Traum unter einem Baum – das spielt keine Rolle. Bleibt verbunden. Also sollten wir diesem Geschäftsmodell folgen.
Vielleicht seid ihr heute in der Stimmung, eure Lebensmittel und euer Getreide zur Annakuta-Zeremonie mitzubringen. Aber wenn ihr einen Traum habt und Krishna euch zu anderen Diensten ruft, seid bereit, zu springen.
Das waren die nektarreichen Tropfen für heute. Darf ich auch ein paar bittere Tropfen hinzufügen? Denkt nicht, dass solche Fälle nur in der Vaishnava-Geschichte, in legendären Zeiten, vorkommen. Ich bin der Meinung, dass wir so leben sollten, dass wir diese Ideale, diese reinen Bedingungen wiederherstellen. Bitte helft mir dabei. Ich möchte das tun. Es gefällt mir und ich möchte solche Bedingungen sehen und anbieten. Es gibt so viele Dummheiten um uns herum. Warum sollten wir und so verhalten? Warum nicht auf spirituelle Weise? Die letzten Dinge sind sehr einfach: ihr kommt vom Höchsten, ihr gehört zu Ihm, ihr seid eine spirituelle Seele und ihr habt eine lebendige und liebende Verbindung. Warum irgendwelche anderen Komplikationen? Was ist sonst noch nötig?
Heute sind wir alle einer Meinung und wir lächeln und sagen: „Ja“. Und morgen? Morgen sind wir wieder im ursprünglichen Zustand. Besser, wir verbessern den Gesamtzustand unseres Bewusstseins, damit wir in einem Wunder leben können. Bitte helft mir in dieser Hinsicht.
Alle Beschränkungen und alle Mängel, die wir wahrnehmen, befinden sich auf einer niedrigeren Ebene. Die Leiden, die auf die materielle Existenz zurückzuführen sind, befinden sich auf einer niedrigeren Ebene. Ihr leidet nicht aufgrund höherer Wesenheiten. Ihr erkrankt nicht schwer oder … nun, manchmal schon, aber wir tun unser Bestes. Ihr sterbt nicht an Hunger. Meistens sind eure Leiden geistiger Natur. Menschen leiden nicht aufgrund der äußeren Umstände, sie leiden aufgrund ihrer Wahrnehmung. Oft nehmen wir unser Leben so wahr: „Oh, das ist so schwierig.“ Ich habe mich beschwert, dass ich keine Schuhe habe, bis ich eine Person traf, die keine Füße hat. Erhöht  also euer Bewusstsein. Bleibt nicht im Schlamm eures Geistes stecken. Und bitte unterscheidet  zwischen all diesen Ebenen der Realität des Leidens – körperlich und geistig. All unsere geistigen Probleme sind nicht spirituell. Das sind sie nicht! Sobald wir die spirituelle Ebene erreichen, müssen wir unsere Bedingungen neu bewerten.
Madhavendra Puri war glücklich, als er als armer, mittelloser Bettler kam. Kein Geld, keine
Sozialversicherung, kein Rentensystem, keine Verwandten, keine Gefährten, kein Essen. Trotzdem konnte er träumen. Dann begann er, im Tempel zu dienen. Den ganzen Tag war er mit verschiedenen Diensten beschäftigt, kochte viel, bot viel an. Aber eigentlich war er viel zu sehr an dieses Bettlerleben gewöhnt-er aß fast nichts. Nur ein paar Milchprodukte am Abend. Man könnte also sagen, dass wir Madhavendra Puri ähnlich sind. Auch wir bringen unsere frühere Konditionierung in das spirituelle Leben mit. Früher beschwerten wir uns; jetzt beschwerten wir uns auch. Aber denkt an Gurudevs Worte: „Wie ist euer Kirtan?“

(Fortsetzung folgt)

1. Chaitanya Charitamrita, Madhya, 4.103-111



(aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 14.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom vorigen Freitag)

„Nach der Ruhepause muss die Gottheit am Ende des Tages geweckt werden, und sofort muss ihr etwas Essen und Wasser angeboten werden. Als im ganzen Land bekannt wurde, dass Lord Gopala auf dem Gipfel des Govardhana-Hügels erschienen war, kamen alle Menschen aus den benachbarten Dörfern, um die Gottheit zu sehen. Ein Dorf nach dem anderen bat Madhavendra Puri, ihnen einen Tag für die Durchführung der Annakuta-Zeremonie zuzuteilen. So wurde die Annakuta-Zeremonie Tag für Tag eine Zeit lang durchgeführt. Shri Madhavendra Puri aß den ganzen Tag nichts, aber abends, nachdem er die Gottheit zur Ruhe gelegt hatte, nahm er eine Milchzubereitung zu sich. Am nächsten Morgen begann die Verehrung der Gottheit erneut, und Menschen aus einem Dorf kamen mit allen möglichen Getreidesorten. Die Dorfbewohner brachten der Gottheit Gopala so viel Getreide, Ghee, Joghurt und Milch, wie sie in ihrem Dorf hatten.” [1]
Manchmal weiß man nicht, ob man eine heilige Schrift oder ein heiliges Kochbuch liest. Denn Shrila Prabhupada fügt hier hinzu: „Anna, Ghrita, Dadhi und Dugdha sind Getreide, Ghee, Joghurt und Milch … das sind die Grundlagen aller Nahrungsmittel. Obst und Gemüse sind nur sekundär. Aus Getreide, Ghee, Joghurt und Obst kann man Tausende verschiedener Nahrungsmittel zubereiten.“ Aber warum konzentrieren sich die Menschen im Allgemeinen so aufs Essen? Weil wir denken, dass dies der Schlüssel zu unserem Lebensunterhalt ist – Essen. Zweifellos benötigt der Körper von Zeit zu Zeit eine bestimmte Energiezufuhr, aber das Besondere an heiligem Essen ist, dass es nicht nur den Körper ernährt, sondern auch das Herz reinigt und die Seele nährt. Und es setzt einen Reinigungsprozess in Gang. Es geht also nicht nur ums Essen, sondern darum, Prasadam zu respektieren oder Prasadam anzunehmen. Das ist eine andere Stimmung, die Einstellung ist anders.
„Am nächsten Tag gab es fast wie zuvor eine Annakuta-Zeremonie. Alle Brahmanen bereiteten Speisen zu und Gopala nahm sie an. Der ideale Ort, um Krishna-Bewusstsein zu praktizieren, ist Vrajabhumi oder Vrindavana, wo die Menschen von Natur aus dazu neigen, Krishna zu lieben, und Krishna von Natur aus dazu neigt, sie zu lieben. Scharen von Menschen kamen aus verschiedenen Dörfern, um die Gottheit Gopalas zu sehen, und sie nahmen üppig Maha-Prasadam zu sich. Als sie die überragende Gestalt von Lord Gopala sahen, verschwanden all ihre Klagen und ihr Unglück. Alle Dörfer im benachbarten Vrajabhumi [Vrindavana] wurden auf die Erscheinung Gopalas aufmerksam, und alle Menschen aus diesen Dörfern kamen, um ihn zu sehen. Tag für Tag führten sie alle die Annakuta-Zeremonie durch. Auf diese Weise erfuhren nicht nur die Nachbardörfer, sondern auch alle anderen Provinzen von Gopalas Erscheinen. So kamen die Menschen von überall her und brachten eine Vielzahl von Geschenken mit. Die Menschen aus Mathura, die sehr große Kapitalisten sind, brachten ebenfalls verschiedene Geschenke mit und opferten sie der Gottheit in hingebungsvollem Dienst. So kamen zahllose Geschenke von Gold, Silber, Kleidungsstücken, Duftartikeln und Esswaren an. Gopalas Vorrat wuchs täglich. Ein sehr reicher Kshatriya des königlichen Ordens baute einen Tempel, jemand fertigte Kochutensilien an und jemand errichtete Grenzmauern. Jede einzelne Familie, die im Land Vrajabhumi lebte, spendete eine Kuh. Auf diese Weise wurden Tausende von Kühen Eigentum von Gopala”.[2]
Bitte folgt dem nicht Wort für Wort. Denn Ishvara würde sich mit so vielen Kühen etwas unwohl fühlen. Viele Tausend sind zu viel, ein paar reichen. Aber was ist das Wichtigste hier – dass aller Reichtum der Welt Gott gehört. Denn es ist Sein Eigentum. Alles gehört Ihm. Wir sind nicht die Eigentümer, wir sind nur die Verwalter. Und ob Krishna etwas Geld in Seiner rechten oder Seiner linken Tasche behalten möchte, ist Seine Sache. Wir sollten lieber alles in Seine Tasche stecken und dann kann Er entscheiden. Uns bewusst zu sein, dass alle Segnungen von oben kommen und wir deshalb zurückgeben sollten, mit anderen teilen, etwas anbieten müssen – das ist es, was wir erwerben müssen.

1. Chaitanya Charitamrita, Madhya, 4.88-93
2. Chaitanya Charitamrita, Madhya, 4.94-102



(aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 14.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom vorigen Freitag)

„Der ganze gekochte Reis wurde auf Palasha-Blättern gestapelt, die auf neuen, über den Boden ausgebreiteten Tüchern lagen. Um den Stapel gekochten Reis herum waren Stapel von Chapatis, und das ganze Gemüse und die flüssigen Gemüsezubereitungen wurden in verschiedene Töpfe gegeben und um sie herumgestellt. Töpfe mit Joghurt, Milch, Buttermilch und Shikharini, süßem Reis, Sahne und feste Sahne wurden neben das Gemüse gestellt. Auf diese Weise wurde die Annakuṭa-Zeremonie durchgeführt, und Madhavendra Puri Gosvami bot Gopala persönlich alles an. Viele Wassertöpfe wurden mit duftendem Wasser zum Trinken gefüllt, und Lord Shri Gopala, der viele Tage lang hungrig gewesen war, aß alles, was ihm angeboten wurde. Obwohl Shri Gopala alles aß, was ihm angeboten wurde, blieb durch die Berührung seiner transzendentalen Hand alles wie zuvor.“ 1

Alle Ehre gebührt dem Höchsten Herrn, dass etwas bleibt. Einmal waren meine lieben Gottbrüder wirklich erstaunt. Sie brachten Krishna den großen Teller mit Opfergaben, sangen die Mantras und warteten, bis der Herr isst. Und als der Haupt-Pujari zurückkam, sagte er: „Ah, der Teller ist leer. Krishna hat ihn angenommen, er hat alles gegessen.“ Dann sagten die anderen in der Küche: „Ah, schon wieder hast du vergessen, das Essen auf den Teller zu legen.“ Aber man kann nie wissen! Krishna kann essen und alles dort lassen. Oder selbst wenn man ihm keine Portion gibt, kann er sie annehmen und vollkommen zufrieden sein. Manche sagen, dass Wunder nicht real sind. Aber ich sage, die Realität ist ein Wunder.

„Wie Gopala alles aß, während das Essen gleich blieb, wurde transzendental  von Madhavendra Puri Gosvami wahrgenommen; den Anhängern des Herrn bleibt nichts ein Geheimnis. Das wunderbare Fest und die Amtseinführung von Shri Gopalaji wurden an einem Tag arrangiert. Sicherlich wurde all dies durch die Kraft von Gopala erreicht. Niemand außer einem Anhänger kann das verstehen. Madhavendra Puri bot Gopala Wasser an, damit er seinen Mund auswaschen konnte, und gab ihm Betelnüsse zum Kauen. Dann, während Arati durchgeführt wurde, skandierten alle Leute „Jaya, Jaya!“ [„Alle Ehre sei Gopala!“]. Um die Ruhe des Herrn zu arrangieren, brachte Shri Madhavendra Puri ein neues Feldbett, breitete darüber eine neue Bettdecke aus und machte so das Bett fertig. Ein provisorischer Tempel wurde errichtet, indem das Bett rundherum mit einer Strohmatratze bedeckt wurde. So gab es ein Bett und eine Strohmatratze, um es zu bedecken. Nachdem man die Gottheit zur Ruhe auf das Bett gelegt hatte, versammelte Madhavendra Puri alle Brahmanen, die das Prasadam zubereitet hatten, und sagte zu ihnen: „Jetzt ernährt alle reichlich, von den Kindern bis zu den Alten!“ Alle dort versammelten Menschen setzten sich, um das Prasadam zu ehren, und nahmen nach und nach Nahrung zu sich. Alle Brahmanen und ihre Frauen bekammen zuerst zu essen . Zu denen, die Prasadam zu sich nahmen, gehörten nicht nur die Menschen aus dem Dorf Govardhana, sondern auch diejenigen, die aus anderen Dörfern kamen. Sie sahen auch die Gottheit von Gopala und bekamen Prasadam zu essen angeboten. Als sie den Einfluss von Madhavendra Puri sahen, waren alle dort versammelten Menschen voller Staunen. Sie sahen, dass die Annakuta-Zeremonie, die zuvor zu Krishnas Zeiten durchgeführt worden war, nun durch die Gnade von Shri Madhavendra Puri wieder stattfand. Alle bei dieser Gelegenheit anwesenden Brahmanen wurden von Madhavendra Puri in den Vaishnava-Kult eingeweiht, und Madhavendra Puri ließ sie verschiedene Arten von Diensten verrichten. 2

Die Annakuta-Zeremonie ist also wie ein Ozean aus Essen. Ich glaube, jeder mag diesen Teil unserer Tradition. „Philosophie? – Ah, das ist wirklich kompliziert. Tapasya? – Nein, nein, das ist zu schwierig. Prasad? – Ja! Ich komme!“ Aber zumindest können wir die Anziehungskraft Gottes durch irgendeinen Kanal spüren – durch was für einen, das spielt keine Rolle. Denn das ist wahr – man kann Krishna nicht durch sehr komplizierte Theorien oder Philosophie erlangen. Man kann Gott nicht durch Tapas  erreichen. Wenn man nur eine Hand hebt, ist das nur halbe Hingabe. Wenn man beide Hände hebt, ist das eine vollständige Hingabe.

(Fortsetzung folgt)

1 „Chaitanya Charitamrita“, Madhya, 4.72-77

2 „Chaitanya Charitamrita“, Madhya, 4.78-87



(aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 14.08.2018, Ludasto)

(Fortsetzung vom vorigen Freitag)

Abhisheka ist die Badezeremonie und nun erhalten wir eine Beschreibung davon.

„Nachdem alle ungünstige Dinge durch das Singen des Mantras vertrieben wurden, begann die Badezeremonie der Gottheit. Zuerst wurde die Gottheit mit einer großen Menge Öl massiert, sodass ihr Körper sehr glänzend wurde. Nach dem ersten Bad wurden weitere Bäder mit Panchagavya und dann mit Panchamrita durchgeführt. Dann wurde das Maha-Snana mit Ghee und Wasser durchgeführt, die in hundert Töpfen gebracht worden waren. Nachdem das Maha-Snana beendet war, wurde die Gottheit erneut mit duftendem Öl massiert und ihr Körper glänzend gemacht. Dann wurde die letzte Badezeremonie mit duftendem Wasser durchgeführt, das in einer Muschelschale aufbewahrt wurde. Nachdem der Körper der Gottheit gereinigt war, wurde sie sehr schön mit neuen Gewändern bekleidet. Dann wurden Sandelholzbrei, Tulasi-Girlanden und andere duftende Blumengirlanden auf den Körper der Gottheit gelegt. Nachdem die Badezeremonie beendet war, wurden Weihrauch und Lampen angezündet und der Gottheit allerlei Speisen dargeboten. Zu diesen Speisen gehörten Joghurt, Milch und so viele Süßigkeiten, wie empfangen wurden.“ 1

Die Einsetzung der Gottheit ist eine ganz besondere Zeremonie. Es gibt detaillierte Beschreibungen, wie man Krishna angemessen empfängt, damit er kommt und die Gestalt einer Murti annimmt. Hier werden auch die verschiedenen Bäder erwähnt, die er erhält. Es ist wunderschön! Man bietet Ihm ein Bad mit Wasser an – natürlich kennen wir dieses Bad. Aber man bietet Ihm ein Bad mit Honig, Ghee und Joghurt an. Außerdem bietet man ein Bad mit Körnern an – man gießt die Körner über den Körper der Murti. Außerdem bietet man Edelsteine ​​als Bad an. So ein poetischer Empfang Gottes!

Und lange Zeit, obwohl die Einsetzungszeremonie bereits begonnen hat, sind die Augen der Murti bedeckt, verbunden. Und am Ende der Zeremonie bitten wir Krishna mit besonderen Mantras, mit besonderen Gebeten, seine Augen für die Welt, für uns zu öffnen.

 „Zuerst wurden der Gottheit viele verschiedene Speisen angeboten, dann duftendes Trinkwasser in neuen Töpfen und dann Wasser zum Auswaschen des Mundes. Schließlich wurde Pan mit verschiedenen Gewürzen vermischt angeboten. Nach dem letzten Opfer von Tambula und Pan wurde Bhoga-Aratrika durchgeführt. Schließlich brachte jeder verschiedene Gebete und dann Ehrerbietungen dar und fiel in völliger Hingabe vor der Gottheit nieder. Sobald die Leute des Dorfes verstanden hatten, dass die Gottheit eingesetzt werden würde, brachten sie ihre gesamten Vorräte an Reis, Dhal und Weizenmehl. Sie brachten so große Mengen, dass die gesamte Oberfläche der Hügelspitze gefüllt war. Als die Dorfbewohner ihren Vorrat an Reis, Dhal und Mehl brachten, brachten die Töpfer des Dorfes alle möglichen Kochtöpfe mit, und am Morgen begann das Kochen.“ 2

Ich denke, das kommt mir sehr bekannt vor. Wir kommen zusammen, wir sammeln die Lebensmittel (bhoga) und beginnen mit dem Kochen.

Zehn Brahmanen kochten die Nahrungsmittelkörner, und fünf Brahmanen kochten sowohl trockenes als auch flüssiges Gemüse. Die Gemüsezubereitungen wurden aus verschiedenen Spinatsorten, Wurzeln und Früchten, die im Wald gesammelt wurden, hergestellt, und jemand machte Bada und Badi, indem er Dhal zerstampfte. Auf diese Weise bereiteten die Brahmanen alle möglichen Speisen zu. Fünf bis sieben Männer bereiteten eine riesige Menge Chapatis vor, die vollständig mit Ghee [geklärter Butter] bedeckt waren, ebenso wie das gesamte Gemüse, der Reis und Dhal.“ 3

Unbegrenzte Mengen Chapatis, das ist so schön.

(Fortsetzung folgt)

1 Chaitanya Charitamrita, Madhya, 4.60-64

2 Chaitanya Charitamrita, Madhya, 4.65-68