Sharanagati

Collected words from talks of Swami Tirtha




(aus einem Vortrag von Swami Tirtha, 11.05.2017, Sofia)

(vom vergangenen Freitag)

Frage von Manjari: Die Schlange ist ein sehr interessantes Symbol, sie kann gute, schlechte und vielleicht auch andere Dinge darstellen. Könnten Sie das bitte näher erläutern?

Swami Tirtha: Ja, ich stimme zu, dass Schlangen sehr ungewöhnliche Lebewesen sind. Der Mensch hat irgendwie eine gewisse Angst vor Schlangen. Normalerweise mögen wir Schlangen nicht wirklich, besonders wenn unser Körper sich in deren Nähe befindet. Du magst die sehr eleganten Schuhe aus Schlangenhaut, aber stell dir einfach vor, dass sich eine Schlange um deinen Körper bewegt – das ist ein ungutes Gefühl, oder? Und in Indien zum Beispiel leben die meisten Schlangen auf diesem Planeten Erde. Daher haben sie dort ein recht tiefes Verständnis für die Beziehung zu den Schlangen. Aber wie du sagtest, repräsentieren sie sozusagen sowohl gutes als auch schlechtes oder sehr positive und gefährliche Aspekte. Ihre Ernährung ist zum Beispiel sehr interessant. Normalerweise fressen die großen Schlangen beispielsweise Ziegen in einem Stück. Also verschlingen sie alles und beginnen dann mit der Verdauung – langsam, langsam, langsam. Das ist interessant, aber eine weitere interessante Tatsache über Schlangen ist, dass sie auch ein echtes Supernahrungsmittel mögen – Milch. Milch ist einer der Favoriten der Yogis und der Schlangen. Deshalb besteht eine Gefahr – zum Beispiel, wenn ein Baby mit der Muttermilch gefüttert wird, dass das Baby einschläft und plötzlich eine Schlange auftaucht. Die frische Milch befindet sich also im Bauch des Babys und die Schlange ist bereit, diese Milch zu holen und  durch den Mund in das Baby reinzukriechen. Wenn ihr also an einem solchen Ort lebt, ist es besser, eine Manguste in eurem Haus zu haben. Weil ihr euer Zuhause und euer Baby vor der Schlange schützen möchtet, die nach Milch sucht.

Doch abseits der Biologie und des Alltagslebens werden in den Bräuchen auch Milch und Schlangen erwähnt: Milch, die von der Zunge einer Schlange berührt wird, verwandelt sich in Gift. Ebenso wird selbst die heilige Botschaft oder Gespräche über Krishna, den Höchsten, zu Gift, wenn sie von untreuen Menschen übermittelt werden. Deshalb heißt es: shravanam naiva kartavyam1 – hört nicht auf solche Reden von ungläubigen Menschen.

Es gibt auch bestimmte Ebenen im Universum, die von schlangenähnlichen Wesen bewohnt werden. Sie haben auch viel mit der Geschichte von Bhagavatam zu tun. Denn am Anfang meditierte ein Brahmane in seiner Hütte, dann kam König Parikshit herein und war beleidigt, weil er ignoriert wurde, also warf er eine tote Schlange auf den Heiligen. Dies war die Ursache aller Folgen, angefangen mit einem Fluch usw. So starb König Parikshit aufgrund des Schlangenfluchs und des Schlangenbisses. Also begann sein Sohn, sarpa-yagya durchzuführen – diese Schlangen zu opfern und zu vernichten. Aber am Ende war die Entscheidung eine andere, die Empfehlung war eine andere: akzeptiere dein Karma, akzeptiere sogar einen Fluch und lasse alle in Frieden leben.

Kundalini-shakti wird auch als eine Schlange im Körper beschrieben. Es ist die allgemeine, universelle Lebenskraft, die jedem Einzelnen gegeben wird. Und durch spirituelle Praxis könnt ihr die Ebene dieser Kraft, dieses Bewusstseins erhöhen. So weit, dass eure shakti, eure Lebenskraft, die höchste Ebene Ihres Chakra-Systems erreicht. Dies nennt man Erleuchtung oder Trancezustand. Und wer verkörpert im Yoga diesen perfekten Bewusstseinszustand? Das stimmt, Shiva. Shiva ist auch ein großer Freund von Schlangen. Wir können es kaum ertragen, dass Schlangen auf unserem Körper herumkriechen, aber er mag es sehr. Er trägt Schlangen um den Hals als Schal, als Schmuck.

Und ich denke, wir haben oft darüber gesprochen, dass Lord Shiva auch den Guru-Tattva repräsentiert. Weil er in seiner Meditation immer fixiert ist. Du wirst ihn mit zwei Augen und einem weiteren Auge, dem dritten Auge, sehen. Immer konzentriert. Manchmal ist sein drittes Auge geschlossen und manchmal offen, aber das ist ein anderer Fall. Jedenfalls ist er ungestört, obwohl die Schlangen seinen ganzen Körper bedecken.

Ich habe einen Yogi-Freund, ich meine bhakta, aber er ist ein Yogi-Typ. Und in Navadvip, das praktisch am Ufer des Ganges liegt, im ashram von Shridhara Maharaja gibt es auch Schlangen im Garten. Und Sie wissen, dass die Menschen Angst vor Schlangen haben. Aber mein Yogi-Freund hat die Schlangen mit der Hand gefangen. Deshalb hatten die örtlichen Gläubigen große Angst: „Oh, was wird schon passieren!“ Aber er war sehr mutig und beschützte die anderen vor den Schlangen. Vielleicht hat er den Segen von Lord Shiva erhalten.

Okay, wenn Lord Shiva das guru-tattva und den perfekten Bewusstseinszustand repräsentiert, wer sind dann die Schlangen um ihn herum? Die Schlangen sind die Schüler. Immer in Bewegung, kommen immer mit irgendein Problem: „Guruji, dies und das“. Die Schlange kann niemals still bleiben, sie ist immer in Bewegung, ihr kennt ihre sehr ungewöhnlichen Bewegungen. Aber Shivaji ist ungestört. Er bewegt sich nicht. Der ungewöhnliche Beilag der Schüler lässt ihn nicht erschüttern. Vielleicht ist unser Bewusstsein als Schüler immer in einer welligen, wackeligen, schlängelnden, hinterlistigen Stimmung, aber auf einer vollendeten Ebene sollte euer Bewusstsein ungestört sein.

(Fortsetzung folgt)

 

1 Srimad Bhagavatam 6.17.40



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